Lesenswerte Bücher, sehenswerte Filme.

 

In dieser Rubrik finden Sie Bücher und Filme, die wir als besonders lesens- und sehenswert einstufen.

 

 


Der Staatszirkus                                             Alexandra Cavelius, acumine Verlag, 2013, 352 S.,  5 ... 16 €

Eine sati(e)rische Schulgeschichte

 

Die Autorin der Bestseller "Leila - ein bosnisches Mädchen" oder "Die Himmelsstürmerin" hat einen Roman geschrieben, der sich von der heiteren Seite dem Problemfeld Schule aus Sicht einer schulgestressten Mutter nähert. Die Autorin scheint es am eigenen Leibe erfahren zu haben, so erschreckend realitätsnah sind zahlreiche Situationen beschrieben.
Als  Elternvertreter habe ich vieles nahezu identisch erlebt:
Das überhebliche Gebaren einer Gymnasial-Schulleiterin, die erwachsene Menschen behandelt, als seien sie unmündige Kinder. Die ihnen vorschreiben will, wie sie einen Text an andere Eltern zu verfassen haben und verlangt, dass dieses Schreiben von ihr genehmigt wird: So diktatorisch und unfehlbar, als sei die Zeit vor 60-70 Jahren stehen geblieben.
Oder die große Feigheit vieler, ansonsten lebensnaher intelligenter Eltern, die im kleinen Kreise die Probleme sehr genau erkennen, sich aber nicht trauen, diese öffentlich anzusprechen. Wo bleibt die Zivilcourage? Ist es wirklich nur die Angst vor möglichen Repressalien gegen die eigenen Kinder?  Wann soll sich denn etwas ändern, wenn niemand den Mund aufmacht?
Das Buch verknüpft zwei parallel laufende Geschichten, eine im Tierreich und eine aus dem Elternleben. Die tierisch satirische Geschichte ist manchmal nur mit guter Konzentration nachzuvollziehen, aber es lohnt sich, denn sie enthält gelungene Spitzen, die zum Nachdenken anregen, über die man lachen kann. Bei denen aber das Lachen auch oft im Halse stecken bleibt. Leichter verdaulich ist die Geschichte der vom Schulsystem gebeutelten Mutter, die ich mit großem Genuss gelesen habe.

 

 


Lernen im Kühlschrank                                                       Michael Kobbeloer, Books on Demand GmbH, 2014 Wie wir die Lerntemperatur unseres                                                                              ISBN 978-3-7322-9890-7   16,90€  Bildungssystems mit Emotionen erhöhen können.


Warum lernen Stewardessen in ihrer Ausbildung etwas über Emotionen, Pädagogen aber nicht ?
Emotionen sind entscheidend für den Lernerfolg, sagt die moderne Hirnforschung. Doch in unserem Bildungssystem mangelt es weiterhin an Emotion, gleichzeitig überschwemmt es unsere Kinder mit Information.


Autor Michael Kobbeloer beleuchtet unser "unterkühltes" Bildungssystem. Er beschreibt, wie wir gemeinsam die Lerntemperatur erhöhen können, ohne Revolution, aber durch Intuition, Innovation und Emotion.


Lesenswert für Lehrer, Eltern und alle, die sich mit Bildung befassen.




Die Schulkatastrophe                                                                         Kurt Singer,  Beltz Verlag Weinheim,  2009                                                                                                                                                                                                       16,95 €


Dieses Buch wird mich nicht mehr loslassen. Es wird mein ständiger Begleiter werden. Es ist das erste  pädagogische Buch, das ich gleich ein zweites Mal lesen musste. Von ihm geht eine ungeheure Kraft aus. Es wirkt auf mich befreiend, geradezu entfesselnd, es richtet den Blick nach vorne.
Es konfrontiert mich mit mir selbst, zwingt zum Blick in den Spiegel. Es verspricht, mir zu helfen. Und es fordert mich auf zu handeln – nicht morgen, sofort!      Worauf noch warten!


Selten hat ein Buch mich so elektrisiert, so euphorisch gestimmt. Denn es ist ein Buch über mich und eines über
dich, eines über uns alle, die wir wesentlich dazu beitragen, der Schule ihr heutiges Gesicht zu geben. Einer Schule, die wir aber so gar nicht wollen, die völlig anders werden muss, in die wir uns hineingepresst sehen, von Paragrafen gefesselt, von BürokratInnen drangsaliert. Es ist eine Schule, die uns weit von uns weggeführt hat, in der wir uns oft selbst nicht mehr wiedererkennen. An manchen Tagen vielleicht sogar Erschrecken über uns selbst, darüber, was wir angerichtet habe – obwohl wir es doch eigentlich viel besser könnten.   ...

Aber nicht nur die sorgfältige Analyse des maroden Schulsystems macht das Buch lesenswert, sondern vielmehr die Flut an konkreten Vorschlägen, wie wir mit und in dieser Schullandschaft besser leben können. Und vor allem wie die SchülerInnen mit uns besser leben können und auch deren Eltern.

Es sei dabei gleich vorweg gesagt: Wir werden in unserem LehrerInnenverhalten nicht geschont. Uns wird ein Spiegel vorgehalten, in dem wir uns leider viel zu oft als VollzugsbeamtInnen wiedererkennen, die sich hinter angeblichen Sachzwängen verstecken und es an Fantasie fehlen lassen, die Lücken des Systems zu nutzen. Mangel an Kreativität, Mutlosigkeit, das zu tun, was man eigentlich für richtig hält: Widerstand zu organisieren – das zeichnet nur zu oft unser Verhalten aus.
Natürlich plädiert Singer als erfahrener Pädagoge vehement für »Eine Schule für alle«, wehrt sich gegen jede Form von Ausgrenzung und Herabsetzung, aber er macht gleichzeitig Vorschläge, was wir hier und schon heute tun können und tun müssen.


Forderung nach humaner Schule
Die Tiefe und damit das Ergreifende des Buches steckt aber in seiner ethischen Grundhaltung, die durch eine zutiefst humane Gesinnung geprägt ist. Prof. Singer, der Mitbegründer der Aktion Humane Schule, will eigentlich nur eines, nämlich dass wir uns als Menschen erkennen und als solche handeln, den SchülerInnen gegenüber, den KollegInnen, den Eltern und nicht zuletzt uns selbst gegenüber. Und er macht als großer Lehrer ganz im Brecht’schen Sinne Vorschläge, wie jeder von uns das im Schulalltag tun kann, wenn er denn will.

Wer von euch hat selber Kinder? Oder wer kann sich noch gut an seine eigene Schulzeit erinnern? Es ging uns
doch allen gleich, dass wir tief durchgeatmet haben, als wir das »Angsthaus« Schule endlich verlassen durften. Ihr wisst vom Schulversagen eines Heinrich Böll, Hermann Hesse, Günter Grass, Thomas Bernhard. Fast könnte man sagen, nur Schulversager haben es zu etwas gebracht. Wer selbst Kinder hat, sehnt den Tag herbei, an dem sie hoffentlich ihr Abschlusszeugnis in Händen halten. Hunderte von Euros für Nachhilfe und zusätzliche Lernhilfen, Ärger über Korrekturen von KollegInnen, Streit bei Elternsprechtagen. Kranke Kinder, die nicht mehr zur Schule wollen, kranke Eltern, die ständig streiten – wann ist das alles endlich vorbei!

Singers oberstes Ziel ist es, den Kindern die Freude am Lernen und manchmal am Leben wiederzugeben, und zwar jedem Kind. Unterschiedlichkeit der SchülerInnen sieht er nicht als einen Mangel, sondern als eine Bereicherung an.
Langsamkeit ist für ihn kein Hindernis, sondern eine wertvolle Tugend, die besondere Tiefe des Lernens ermöglicht. Interesse gilt es zu wecken. Wider das ständige Reden der LehrerInnen! Wider das Gift der  Langeweile, die jeglicheLust am eigenständigen Entdecken verhindert.


Immer wieder greift der Autor auf die unterschiedlichsten Ansätze der Reformpädagogik zurück, hat sich kundig
gemacht bei den berühmtesten PädagogInnen unserer Zeit und deren Vorzeigeschulen, unternimmt Anleihen bei Montessori- und Waldorfschulen, um Mut zu machen, Mut, das Gesicht der herkömmlichen Schulen wieder menschlicher zu gestalten. Seht, es geht doch!

Prüfungen müssen einen nicht in Angst und Schrecken versetzen, Noten die SchülerInnen nicht selektieren und erniedrigen. Sitzenlassen eines Schülers führt meist nur zu weiterem Misserfolg. Kein Kind darf verloren gehen! Es ist doch purer Unsinn, allen in gleicher Zeit das Gleiche abzuverlangen und das noch meist ohne Hilfsmittel. Welche völlig unwirklichen Situationen schafft die Schule! Oder liegt jetzt etwa neben mir eine Uhr, wann dieser Artikel fertig zu sein hat, und darf ich dabei keinen Blick mehr in das zu besprechende Buch werfen?
Schule soll wieder Spaß machen. Nein, natürlich ist nicht Hully-Gully gemeint, vielmehr Lebensfreude. Schule als Ort des Aufspürens und Entdeckens, des sozialen Miteinanders. Leistung gemeinsam zu erbringen, jeden Tag etwas mit nach Hause nehmen, etwas, das fürs Leben nützlich ist, kein staubiges Buchwissen. PädagogInnen wissen: Ist die Stimmung gut, stimmt auch die Leistung.

Aber eine gute Stimmung setzt demokratisches Verhalten voraus. Toleranz und Akzeptanz sind Voraussetzungen,
um SchülerInnen zu stärken, ihnen Kraft zu geben und ein solides Selbstbewusstsein. An unzähligen konkreten Beispielen aus der Praxis zeigt Singer auf, wie aufbauend LehrerInnenverhalten sein kann, aber auch wie destruktiv. »Du bist ein hoffnungsloser Fall!« Oder: »Deine Leistungen werden immer besser, merkst du, was alles in dir steckt!« Das »aufrichtende Wort« kann Wunder bewirken, das herabsetzende auch. Und wie hilfreich ist es für LehrerInnen, wenn sie es schaffen, ihre Kinder näher kennenzulernen, ihnen wirklich zu begegnen, vielleicht in ihre Seele zu schauen.


Das Buch endet – und anders ist es gar nicht vorstellbar – mit der Aufforderung zur Liebe. »Ohne Liebe ist alles
nichts!« Der Mensch möge dem Menschen ein Helfender sein. Singer zeigt, dass der LehrerInnenberuf ein sehr schöner Beruf sein kann. Er rüttelt uns wach, nicht zu resignieren, sondern uns neu zu besinnen und aufzubrechen. Ein Buch, das hoffnungsvoll stimmt, das viel Kraft gibt!  Ich werde es sicher oft verschenken und der GEW-Landesvorstand sowie die Bezirks- und Kreisvorstände vielleicht auch.

 ... schreibt Andreas Salomon, Lehrer und Kreisvorsitzender der GEW Rosenheim

(leicht gekürzt entnommen aus DDS, März 2009)


Dieses Buch sollte Pflichtlektüre für jeden Lehramtsstudenten sein !!


Schulfrust                                                                            Viviane Cismak, Schwarzkopf & Schwarzkopf 2011
10 Dinge, die ich an der Schule hasse                                                                                                                                    9,95€

 

Mit 19 Jahren, direkt nachdem sie die zermürbende Schulzeit hinter sich gelassen hatte, schrieb Viviane Cismak dieses bemerkenswerte Buch. Bemerkenswert deshalb, weil sie nicht nur kritisiert, sondern auch Veränderunsgvorschläge macht. Man muss nicht jeden Vorschlag gut finden, aber im Kern liegt dem doch eine erstaunlich ehrliche Analyse des Systems Schule zugrunde.


So zum Beispiel die Erkenntnis, dass häufig anfangs sehr lern- und wissbegierigen Grundschüler spätestens auf dem Gymnasium unweigerlich zu frustrierten und desinteressierten Schülern werden.

 

Oder ihre Erfahrungen mit Schulnoten, die sie als intransparent und ungerecht empfunden hat.

 

Auch ihre Kritik an den von der Poltik oft als großen Wurf gelobten Ganztagsschulen ist berechtigt: Oft wird lediglich eine Zwangsbetreuung praktiziert, die niemanden weiter bringt. Viel besser wäre es, Arbeitsgruppen mit Themen anzubieten, die die Schüler wirklich interessieren. Oder ihnen einfach Zeit für die Mitarbeit in örtlichen Vereinen zu gewähren.

 

Besonders harsch ist ihre Kritik an Lehrern, die ihren Schülern unmotiviert, verantwortungslos und willkürlich gegenübertreten.

 

Ein Buch, in dem Viviane Cismak viele Episoden aus ihrem Schulleben bringt. Das macht das Buch leicht lesbar und immer wieder werden dem Leser Situationen vor Augen geführt, die er selbst aus seiner Schulzeit kennt.

Wer sollte das Buch lesen ?
In erster Linie Politiker, die sich für das Bildungssystem verantwortlich fühlen, denn sie haben die Möglichkeit etwas zu verändern!
Aber auch Schüler, Eltern und insbesondere Elternvertreter, deren Augenmerk hierdurch geschärft werden könnte.